Zwei Segelflüge über 1.000 Kilometer beim Luftsportclub
Die Wetterberichte waren sich für Samstag und Sonntag nicht einig, ob es Wolken geben sollte oder nicht. Der eine Bericht versprach Wolken, der andere sprach von Blauthermik, die unter den Segelfliegern nicht so beliebt ist, da die Wolken die Thermik kennzeichnen und somit das Finden der Thermik vereinfachen.
Aber das Motto lautet „Im Zweifel immer fliegen“ und so zog es viele Vereinsmitglieder auf den Flugplatz. Dies wurde belohnt, denn das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite. An beiden Tagen konnten die ersten Starts bereits um 10 Uhr erfolgen, was zu dieser Jahreszeit einen langen Flugtag versprach und somit alle Voraussetzungen für große Flüge erfüllte. Am Samstag zog es die Piloten zuerst nach Norden. Gerd Spiegelberg und Daniel Hanner flogen bis an die Ostsee und dann an die polnische Grenze nach Eberswalde. Dort campierten sie eine Nacht um am Sonntag den Rückflug anzutreten. Daniel Hanner berichtete am Sonntag, dass dies ein ganz besonderes Erlebnis war. „Die Ostsee sieht man von hier aus nicht alle Tage und auch ein Flug rund um den Berliner Luftraum ist vom Taunus aus zeitlichen Gründen kaum schaffbar. Daher war es toll, mal wieder in einer neuen Gegend geflogen zu sein.“
Bild: Pilot Tore Graeber in seinem Ventus und Vereinskollege Daniel Hanner
Zwei ganz besondere Flüge absolvierte Tore Graeber, der am Samstag und Sonntag gleich zweimal über 1.000km flog! Am Samstag ging es erst nach Paderborn, dann bis ca. 140 Kilometer nordöstlich Leipzig und dann über den Thüringer Wald, an Erfurt vorbei, wieder in den Taunus. „Meine letzte Wolke hatte ich 450 Kilometer Luftlinie östlich von Anspach entfernt. Der restliche Heimweg verlief ohne Wolken. Da wird einem bei der Entfernung schon mal etwas mulmig im Cockpit. Die 1.000km waren bis zu diesem Zeitpunkt möglich, doch dafür musste der Schnitt von 100km/h gehalten werden, um bis Thermikende wieder zu Hause zu sein und das ist bei Blauthermik durchaus schwierig. Aber man hat ja keine andere Wahl, als einfach weiter zu fliegen und das Beste draus zu machen.“ Am Samstag reichte es für Tore Graeber ganz knapp nicht bis nach Hause. In Braunfels musste er den Motor zur Hilfe nehmen. Die 1.000 Kilometer waren aber trotzdem erreicht. So landete er glücklich, aber auch sehr geschafft nach über 10 Stunden Flug wieder in Anspach.
Er berichtete: „So ein Flug ist schon etwas Besonderes. Als Nicht-Flieger denkt man zwar, naja, die sitzen da ja nur rum, aber wer schon mal 10Stunden am Stück mit einem Auto gefahren ist, kann sich vorstellen, dass es durchaus anstrengend ist. Im Flug kann man halt nicht einfach mal rechts ranfahren und Pause machen. Man muss zu jeder Zeit hoch konzentriert sein und am laufenden Band Entscheidungen treffen, zum Beispiel zur Flugwegwahl.“
Auch am Sonntag zog es viele Piloten in die Luft. Das Wetter entwickelte sich sogar noch besser als am Samstag. Diesmal ging es für die Meisten zunächst in den Westen, bis an die Saar, dann ins Sauerland und dann Richtung Thüringer Wald. Durch das großräumig gute Wetter konnte Tore Graeber erneut 1.000 Kilometer fliegen und absolvierte an dem Tag weltweit den punkthöchsten Flug. Die Vereinskameraden waren begeistert. Gleich an zwei Tagen hintereinander so große Flüge! Auch Tore strahlte bis über beide Ohren. „Die Wetterlage ist gerade sehr gut. Die Tage sind lang und die Wolkenhöhen durch die trockenen Böden und hohen Temperaturen hoch. Im Bereich des Thüringer Waldes ging es bis auf 2800m. Das ist schon etwas Besonderes.“ Ein junger Vereinskollege fragte Tore, wie er das macht. Er wäre bereits nach einem 6 Stunden Flug völlig k.o. „Solche Flüge sind nur mit viel Training, sowohl mental, körperlich, als auch technisch, möglich“. Tore fliegt, seitdem er 14 Jahre alt ist, also mittlerweile 25 Jahre. „Ich trainiere bei fast jedem Wetter, denn bei schlechtem Wetter lernt man am meisten. Fliegen hat viel mit Erfahrung und Gefühl zu tun. Man muss sein Flugzeug verstehen können, denn durch kleinste Bewegungen der Flächen kann man leichtes Luftmassensteigen fühlen und somit in den tragenden Linien fliegen.
Es macht einfach sehr viel aus, ob man in einer Linie fliegt, in der man 0,5 m/Sekunde steigt oder fällt oder mit 2 m/Sekunde. Das sind die entscheidenden Meter, die über den ganzen Tag gesehen große Flüge möglich machen und das klappt nur durch üben, üben, üben.“ Auch die körperliche Kondition und die mentale Einstellung sind wichtig. Das mentale Vor- und Nachbereiten von Flügen ist ebenso wichtig, wie das Interpretieren von Wetterberichten. „Und am Ende gehört auch immer noch ein bisschen Glück dazu, dass man die entscheidende, letzte Thermik am Abend findet, die einen nach Hause bringt“ gibt Tore Graeber zu.
„Und welches Bäumchen darf es werden?“ Wird Tore von den Vereinskollegen gefragt. Der LSC Bad Homburg pflanzt für jeden 1.000 Kilometer Flug, der aus Anspach absolviert wird, einen Obstbaum. Dies zeigt, die besondere Leistung – eine sehr schöne Tradition! In ein paar Jahren können sich die Piloten dann ihren Reiseproviant für die großen Flüge von den selbst gepflanzten Obstbäumen pflücken.
Neben Tore flogen letztes Wochenende auch noch andere Vereinsmitglieder große Strecken zwischen 300 und 900 Kilometern. So konnten auch jüngere Piloten wie Riccardo Mathes und Phillip Wieschnewski Erfahrungen sammeln und persönliche Rekorde knacken. Insgesamt wurden vom LSC Bad Homburg an diesem Wochenende 16 Flüge gemeldet und 9.650 Streckenflugkilometer absolviert.