"Superflüge" der Segelflieger des Luftsportclub Bad Homburg am 22. Juli

In 800 Kilometern Entfernung von Wehrheim liegen in nördlicher Richtung die Südspitze Norwegens und im Süden die Mittelmeerinsel Korsika. Mehrfach gelangen am letzten Sonntag den Segelfliegern des Luftsportclub Bad Homburg (LSC) solche Riesenstrecken und das ohne Treibstoff und Motor, nur mit der Kraft der Sonne.

 

Heutzutage fliegt man solche Streckenlängen quer durch ganz Europa nicht mehr wie früher als sogenannte "freie Strecke", also nicht einfach geradeaus. Der Aufwand für die Rückholer, die das Segelflugzeug per Autotransport auf der Straße zurückholen müssten, wäre zu groß. Sondern die elf LSC-Piloten flogen ihre 253 Kilometer bis 940 Kilometer als Dreiecks- oder Mehrecksstrecken, waren also abends wieder zu Hause an ihrem Ausgangsflugplatz im Erlenbachtal. "Auch wir Segelflieger sind ja von diesem Sommer bisher nicht gerade verwöhnt worden" so Segelfluglehrer Max Reuter, der beruflich Boeing 737 fliegt. Auf seiner ASW22BLE, die eine Gleitzahl von 60 hat, also aus einem Kilometer Höhe 60 Kilometer weit antriebslos gleiten kann, schaffte er ein als sogenanntes FAI-Dreieck vorab angemeldetes 810-Kilometer Dreieck. Und das mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 94 Kilometern pro Stunde. Reuter verlängerte den Flug anschließend noch nach Westen auf insgesamt 940 Kilometer. "Für die Vollendung vorher angemeldeter Strecken gibt es besonders viele Punkte im OLC" erläuterte Reuter. Dieser Online-Contest (OLC) ist ein dezentraler, also während der gesamten Segelflugsaison laufender weltweiter Wettbewerb auf der Internet-Plattform www.onlinecontest.org. Dort laden die Piloten abends ihre per GPS aufgezeichneten Flüge hoch und kann dann jeder Interessierte diese Flüge anschauen und auswerten (Bild). Enorm transparent geworden ist der Segelflugsport dadurch und die Piloten motivierens sich auch gegenseitig mit ihren Erfolgen.

Ingesamt legten an diesem Sonntag die LSC-Piloten 6363 km im Segelflug zurück! In der weltweiten Bestenliste liegt der Verein damit zur Zeit auf Platz 18 (von etwa 1300 Vereinen) und in Hessen souverän auf Platz eins - wie schon seit mehr als 15 Jahren hintereinander. Stolz auf seinen bisher längsten Flug über 703 Kilometer durfte auch Henrik Lüthge sein, ebenfalls Fluglehrer beim LSC. "Das war spannend und streckenweise ein Kampf oben zu bleiben." Denn das Thermikende war für 19 Uhr vorhergesagt, Lüthge aber um 19.45 Uhr immer noch in der Luft. Letzte Thermikfetzen bei Michelbach retteten seinen Flug, während Kollege Patrick Weiß, mit dem er zusammen unterwegs gewesen war, in seinem Flugzeug den ausklappbaren Hilfsmotor anwerfen musste, um zum Flugplatz zurück zu kommen. Was natürlich sportlich das Ende eines gewerteten Streckenfluges ist.
Ein besonderes Erlebnis hatte auch Elmar Fischer. Zusammen mit Fluglehrer Gerd Spiegelberg umrundete er im Doppelsitzer Duo Discus ein 760-Kilometer FAI-Dreieck. Seine ganz besondere Leistung dabei: Fischer ist partiell querschnittsgelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen! Seinen Pilotenschein erhielt er mit einer Sondergenehmigung, er fliegt stets mit Sicherheitspilot und der LSC hat ihm in diesem Flugzeug eine Handsteuerung für das normalerweise mit den Füßen bediente Seitenruder eingebaut. Acht Stunden ununterbrochene körperliche, wie vor allem geistige Leistung ist schon für einen Gesunden anstrengend genug. "Bei Idar-Oberstein hatten wir fast einen Absitzer und befanden uns schon in Platzrundenhöhe" so Fischer. Nur noch 300 Meter über Grund suchen Segelflieger stets nach einem Außenlandeacker, denn Sicherheit geht vor. Aber gerade noch rechtzeitig fand man wieder Thermik und konnte den Flug fortsetzen. In Erinnerung auch das Formel-Eins Rennen in Hockenheim, das die beiden Piloten live aus luftiger Höhe von 2300 Metern beobachten konnten: "Erstaunlich mit welcher Geschwindigkeit diese Rennwagen um die Ecken flitzen!"

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